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/ ©pexels/ Sarah Chai
Bild auf 5min.at zeigt eine Mutter mit einem weinenden Baby im Arm.
Schreiambulanzen sollen den Eltern mit dem Umgang von "Schreibabys" helfen.

„Zu Tode schütteln“: Kärnten bietet neue Anlaufstelle für Schreibabys an

Mit speziellen Schreiambulanzen bieten das Klinikum Klagenfurt am Wörthersee sowie das LKH Villach Eltern kompetente Anlaufstellen. Die Ambulanzen sind unter anderem Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie.

von Julia Mannsfeld
2 Minuten Lesezeit(495 Wörter)

„Baby zu Tode geschüttelt“ – immer wieder sorgen derartige Schlagzeilen für Entsetzen. Zuletzt zu Beginn des heurigen Jahres, als in Wien ein Säugling durch ein Schütteltrauma starb. Die Täter: Die eigenen Eltern, die mit ihrem schreienden Kind völlig überfordert waren, so seitens der KABEG.

Koma oder Tod

„Tatsächlich sind von 100.000 Säuglingen 21 bis 35 von einem Schütteltrauma betroffen“, blicken Dr. Johannes Schalamon und DDr. Christoph Arneitz von der Kinder- und Jugendchirurgie im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee in die Statistik. Die Folgen eines Schütteltraumas sind im leichtesten Fall Unruhe, Trägheit oder Nahrungsverweigerung. Bei schweren Fällen kommt es zu Atem- und/oder Herzstillstand, Krampfanfällen, Koma oder Tod.

Auf dem Bild sind Prim. Univ.-Prof. Dr. Johannes Schalamon (Kinderchirurgie), Hebamme Christina Kulle und Prim. PD Dr. Jörg Jahnel (Kinderheilkunde) zu sehen.
©KABEG/ HIPP
V.l.n.r..: Prim. Univ.-Prof. Dr. Johannes Schalamon (Kinderchirurgie), Hebamme Christina Kulle und Prim. PD Dr. Jörg Jahnel (Kinderheilkunde).

„Meist handelt es sich um Männer“

„Die Sterblichkeit liegt zwischen 18 und 25 Prozent, bis zu 80 Prozent der Kinder leiden an neurologischen Langzeitschäden“, so Schalamon, der auch als Gutachter tätig ist und einige Fälle nach einem Schütteltrauma bei Gericht begleitet hat. Was auffällt: „Die Täter, meist handelt es sich um Männer, werden oftmals freigesprochen. Die Begründung: Sie gaben an, dass sie nicht wussten, welche dramatischen Folgen das Schütteln für das Kind haben kann.“

„Schlechte Eltern“

Zudem wird die psychische Belastung durch exzessives, stundenlanges Weinen und Schreien des Nachwuchses in der Gesellschaft noch immer als Tabuthema angesehen. Betroffene fühlen sich als „schlechte Eltern“. Ihnen fehlen oft Bewältigungsstrategien und Ansprechpartner. „In allen österreichischen Bundesländern, so auch in Kärnten, gibt es nur unzureichende Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von Gewalt an Säuglingen und Kleinkindern“, analysiert Schalamon.

Schreiambulanzen

Klinikum Klagenfurt am Wörtersee, ELKI: 0463-538-39500
LKH Villach: 04242-208-62758

319 Personen befragt

Vor diesem Hintergrund entschlossen sich die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendchirurgie in Kooperation mit der Med.-Uni Graz eine wissenschaftliche Studie zum Thema „Erkennung und Umgang mit Schreibabys“ durchzuführen, die im Frühjahr 2024 publiziert wurde. Die Mediziner befragten 319 Menschen über 18 Jahren zu deren Wissen über Schütteltrauma. Mithilfe eines Videos, in dem eine Babypuppe geschüttelt wurde, sowie eines Fragebogens erhoben sie erstmals valide Daten. Dabei zeigte sich, dass 98,4 Prozent der Befragten davon überzeugt sind, dass Schütteln dem Baby schadet. 98,1 Prozent hielten auch tödliche Folgen für möglich.

3er-Regel

Doch: Bei den Probanden zeigte sich eine große Unsicherheit über das Schreiverhalten von Säuglingen und wie man am besten darauf reagiert, wenn das eigene Kind einfach nicht mehr aufhören will zu weinen. Schalamon: „Wichtig in diesem Zusammenhang ist die sogenannte 3er-Regel: Schreit das Kind mehr als drei Stunden am Tag, an mehr als drei Tagen in der Woche über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen, spricht man von einem Schreibaby.“

Schreiambulanzen

„Broschüren und Beratungsstellen waren den Teilnehmern kaum bekannt. Nur 9 Prozent wurden zum Thema Schreibabys aufgeklärt“, sagt Arneitz. Zudem stehen an den Abteilungen für Kinder- und Jugendheilkunde im LKH Villach und Klinikum Klagenfurt Schreiambulanzen mit Terminvereinbarung sowie Notfallambulanzen rund um die Uhr für Hilfe zur Verfügung.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 02.07.2024 um 12:35 Uhr aktualisiert
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