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Der Expertendialog in Villach

Expertendialog in Villach: „Berg- und Schutzhütten der Zukunft“

Am 27. April 2024 sprachen 20 Experten aus Österreich, Deutschland, Slowenien und Südtirol über die Entwicklung von Berg- und Schutzhütten. Es war der erste internationale Expertendialog in der Region Villach.

von Redaktion 5 Minuten
5 Minuten Lesezeit(1177 Wörter)

Hütten – hochalpine Schutzhütten ebenso wie bewirtschaftete Berghütten – sind und bleiben zentral für Berg-Genuss und Berg-Erlebnis. Und sie erfüllen eine lebensrettende Schutz- und Sicherheitsfunktion. So weit, so klar. Nur wie gilt es Berg- und Schutzhütten zukünftig nachhaltig zu führen und im Fall von Um- oder Neubauten zu gestalten? Haben sie doch Gästewünschen ebenso wie höchsten ökologischen und sozialen Erfordernissen gerecht zu werden? Zukunftsfragen wie diese wurden Ende April 2024 von über 20 Experten aus Österreich, Deutschland, Slowenien und Südtirol diskutiert.

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„Grün“, energieautark, digital und Frieden stiftend

„Sie ist ‚grün‘, energieautark und anfallendes Abwasser wird bereits am Berg wieder ‚rein‘, die am heutigen Stand der technischen Möglichkeiten gestaltete Berg- und Schutzhütte. Sie ist digital bei der Zimmerreservierung, aber auch, um in weniger stark frequentierten Zeiten eine Grundversorgung zu bieten. Sie ist weltoffen, auch in kulinarischer Hinsicht. Und sie ist völkerverbindend sowie Frieden hochhaltend, befinden sich doch viele der Hütten in historisch belasteten Grenzregionen“, fasst Georg Overs, Geschäftsführer der Region Villach Tourismus GmbH, zentrale Schlussfolgerungen des ersten internationalen Expertendialogs „Berg- und Schutzhütten der Zukunft“ zusammen.

Spannungsverhältnisse

Zu dem nun jährlich stattfindenden Expertendialog trafen sich auf Einladung der Region Villach, ARCH Europe und ARCH International über 20 Experten am 27. April 2024 im Naturel Hoteldorf Schönleitn am Faaker See. Für Werner Radl vom Österreichischen Alpenverein bewegt sich jede Berg- und Schutzhütte in diesem Spannungsfeld. „Die Entstehung der allermeisten Schutzhütten in den Alpen lässt sich auf 1870 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs datieren“, erzählt Radl. „Mit Blick in die Zukunft müssen wir in Schutzhütten, die Teil unseres Kulturguts sind, entsprechenden Grundkomfort und Ausstattung bieten, wie es etwa am Karnischen Höhenweg der Fall ist“, tritt Radl für Hütten- Weiterentwicklung ein.

Bild auf 5min.at zeigt mehrere Personen beim Expertendialog in Villach.
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Der Vortrag von Georg Overs

Entwicklung des Bergtourismus

Der Tourismus in den Bergregionen Sloweniens ist für Miro Eržen vom Slowenischen Alpenverein (PZS) direkt mit der Errichtung von Berghütten am Ende des 19. Jahrhunderts verbunden. „Die Touristen wollten schon damals Touren machen, die mehrere Tage dauern. Dafür war es wichtig, dass sie in Hütten übernachten konnten oder bei schlechtem Wetter Schutz in Hütten fanden“, blickt der Alpenvereins-Experte zurück. „Bis heute sind die Berghütten ein wichtiger Faktor für den slowenischen Tourismus“, weiß Eržen.

Hütten retten Leben

„In Notsituationen, wenn man in einen Wettersturz kommt oder bei Erschöpfung bietet eine Hütte Schutz“, streicht die Südtiroler Bergsteigerin Andrea Wisthaler die Leben rettende Funktion von Hütten in alpinen und hochalpinen Lagen hervor. Was die Arbeit auf Berghütten betrifft, macht sie den Vorschlag, dass Hütten nur vier Tage die Woche geöffnet haben könnten und das Personal dann drei Tage frei hat. „Die junge Generation ist nicht bereit, vier oder fünf Monate am Stück zu arbeiten. Deshalb braucht es neue Modelle“, betont die Südtirolerin. „Jede Hütte sollte zumindest eine Mini- Website haben, um aktuelle Informationen weiterzugeben und um auch das Reservieren digital zu machen. Das entlastet den/die Hüttenwirt:in, weil sich so viel Zeit sparen lässt“, empfiehlt Wisthaler zumindest minimal zu digitalisieren.

Den EINEN Wanderer gibt es nicht

„Es gibt viele verschiedene Typen von Wanderern. Deshalb kann man auch nicht alle potenziellen Gäste mit einer Botschaft, einer Infrastruktur oder einem Beherbergungsangebot erreichen. Man muss bei Überlegungen zu einer Berg- oder Schutzhütte vorher wissen, welche Gästegruppen man ansprechen will“, warnt Wanderexperte Heinz-Dieter Quack vor Pauschalierung. „Entscheidend aus touristischer Sicht ist, was der Gast als Wandern empfindet, selbst wenn er gerade einmal eine Stunde oder etwas länger unterwegs war“, betont Quack. „Der durchschnittliche Wanderer bevorzugt leichte bis wenig anstrengende Wanderungen mit geringen oder moderaten Steigungen und geht 10 bis 15 Kilometer weit. Die Anzahl derer, die anspruchsvolle bis sehr anspruchsvolle Touren bevorzugt ist deutlich geringer“, weiß Quack.

Es braucht hybride Hüttenkonzepte

„Man sollte sich im Zusammenhang mit Berg- oder Schutzhütten die Frage stellen, welche Nutzergruppen gibt es, die im Bereich des Standorts der Hütte unterwegs sind und welche Bedürfnisse bzw. Erwartungen haben sie. Jedenfalls wichtig ist zu differenzieren, weil es den EINEN Typus Hüttengast nicht gibt“, empfiehlt Fachhochschul-Professor Stefan Nungesser. „Auf Basis der Erkenntnisse, wer die Hüttengästegruppen sind, gilt es, ein hybrides Hütten- Konzept zu entwickeln. Es besteht aus unterschiedlichen ‚Bausteinen‘. Diese erfüllen die spezifischen Gästewünsche, so gut es am jeweiligen Standort machbar ist. Und sie helfen dabei, Stärken hervorzuheben aber auch nicht machbares durch andere ‚Lösungen‘ auszugleichen“, betont der Hotel- und Gastronomieexperte.

Für wen ist die Hütte gedacht und was soll sie bieten?

Bei den Gästegruppen, die man in den Fokus stellen will, zu beginnen rät Architekt Florian Lüftenegger. „Beim Neubau oder der grundlegenden Renovierung einer Schutzhütte gilt es vor Beginn der Bauplanung Fragen zu klären, zur geplanten Bandbreite der Nutzung, zum angedachten Angebot aber auch wer die möglichen Gäste sein sollten. Erst wenn man den Bedarf kennt, soll man weiterplanen“, spricht der Bauexperte aus Erfahrung. Ökologische Fragen seien baubezogen kein Hindernis. „Wir sind in der Lage, nahezu alle technischen und ökologischen Probleme, die sich beim Bau einer Schutzhütte ergeben, zu lösen. Zentral ist die Frage, welche Technik man in welchem Fall anwendet, um umweltverträglich und nachhaltig zu sein“, betont Lüftenegger, der auf viel Erfahrung beim Bau von Schutzhütten verweisen kann.

Eine Art Blaupause der Berghütte der Zukunft

„Als Schlussfolgerung dieses Expertendialogs denken wir daran, eine Art Blaupause zu schaffen für die Berghütte der Zukunft, egal ob neu gebaut oder adaptiert. Auch wollen wir ein Netzwerk von Expert:innen einander näher bringen, in der Hoffnung, den Dialog dauerhaft fortzuführen“, resümiert die Unternehmerin und Sozial- und Kulturanthropologin Dr. Marietta Ulrich-Horn von ARCH Europe. Die Gründerin von ARCH, Dr. Cheryl Benard, ergänzt: „Im Zuge der Erforschung der Annahütte und ihrer technischen Möglichkeiten haben wir festgestellt, dass Berghütten und Schutzhütten ein lebendes Kulturgut im Wandel darstellen. Deshalb freuen wir uns auf die Fortsetzung des Dialogs auf breiter Basis.“

Annahütte würde Versorgungslücke schließen

„Die Überlegungen, die Annahütte wieder zu errichten, begrüßen wir. Sie war lange ein wichtiger alpiner Schutz- und Stützpunkt und sie würde die bestehende Versorgungslücke im Bereich westlich des Mittagskogel schließen. Überdies würde sie, wie auch der Julius Kugy Alpine Trail, die 3-Länderfreundschaft betonen“, erklärt Werner Radl, Vorsitzender des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) in Kärnten. Bezogen auf eine etwaige Wiedererrichtung der Annahütte als Schutzhütte lieferte der Expertendialog, so Georg Overs, Geschäftsführer der Region Villach Tourismus GmbH, drei wichtige Erkenntnisse: 1. Alpine Hütten sind energieautark und ohne verunreinigtes Abwasser zu verursachen, machbar. 2. Digitale Lösungen ermöglichen, dass Hütten auch in Phasen mit wenigen Gästen, Versorgung und Schutz bieten. 3. Hütten leisten einen Frieden stiftenden und völkerverbindenden Beitrag, speziell in Grenzregionen und bei historischer Vorbelastung.

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